Er hatte ihn schon so schön geschrieben,
seinen Lebenslauf,
noch zu Lebzeiten hatte er sich ausgemalt,
und mir und anderen erzählt,
was er den Menschen noch sagen möchte
über den Tod hinaus:
„Versöhnt euch
noch zu Lebzeiten,
reicht einander die Hand
solange ihr noch die Zeit dazu habt,
und vor allem
reicht einander rechtzeitig die Hand,
solange ihr lebt,
denn so viel Zeit und Lebensfreude geht verloren
im Streit, im Anschweigen und Neben einander her leben,
vom Hass und vom Krieg ganz zu schweigen.
Versöhnt euch
noch zu Lebzeiten,
reicht einander die Hand
solange ihr noch die Zeit dazu habt,
wie es in meiner Familie geschehen ist
kurz vor meinem Tod,
geschah das Wunder
einer Versöhnung,
ein Stein,
so schwer wie der Grabstein,
fiel von meinem Herzen,
aber traurig ist es doch,
dass ich erst sterben musste,
damit Versöhnung möglich war.
So viel Miteinanderleben und Lebensfreude
wäre möglich gewesen.
Darum
versöhnt euch
jetzt,
reicht einander die Hand
heute
verschiebt es nicht auf irgendwann.
Denn morgen kann es schnell anders werden.“
Das wollte er den Menschen sagen
mit seinem Lebenslauf.
Als er, im Sarg in der Kirche prächtig aufgebahrt,
die Heiligsprechung über sich ergehen lassen musste
aber nicht hörte, was er eigentlich den Lebenden sagen wollte,
dachte ich,
ich hätte seinen Protest gehört,
still und leise:
Versöhnt euch!
15.4.15